Die Glocknerkönig(in) 2019

In dieser wahren Geschichte geht es um zwei Menschen… und eine nette kleine Straße mit einer großen Geschichte. Die Eine wollen wir Csilla nennen: Anfang 30, ambitioniert, seit zwei Jahren begeisterte Rennradfahrerin mit besonderer Affinität zu Höhenmetern, sehr begeisterungsfähig und, unter uns gesagt, eine Seele von Mensch. Der andere bin ich: ein bisschen älter, vom Vater genetisch mit Radfahren „vorbelastet“ und gerade mein Leben neu sortierend.

Wir hatten uns im Frühjahr kennengelernt und es entwickelte sich gerade eine Freundschaft, als ich mitbekam, dass sobald die Straßen trocken waren, Csilla wochenends regelmäßig hunderte Kilometer über diverse Berge im Grazer Umland spulte und jedes Mal glücklich und zufrieden zurückkehrte. Aha, eine Verrückte…

Diese Feststellung war mir nicht neu, da ich meinen Vater aus meiner Kindheit vor über 30 Jahren auch so in Erinnerung hatte: in Radmontur frühmorgens verschwindend und irgendwann spätnachmittags verschwitzt, halb kaputt, aber mit breitem Grinsen und strahlend heimkehrend… Eines der schönsten Bilder, welches ich von ihm in Erinnerung habe.

Ich hatte mir schon vor ein paar Jahren Radoutfit und Ausrüstung zusammen mit einem Trekkingbike gekauft (was eigentlich eine schräge Kombination war, aber ich konnte mich nicht für Straße oder Gelände entscheiden) und war jetzt zu dem Entschluss gekommen, dass ich doch dem Vorbild meines Vaters folgen kann, die Straßen für mich zu erobern. Also habe ich meine Reserven ausgequetscht, um mir ein Rennrad zuzulegen und einige leichte bis mittelschwere Touren zu fahren. Und siehe da, ich war ja doch auch ein Verrückter…

So weit, so gut. Anfang Mai postete Csilla in einem Radforum die Frage, ob jemand zum Glocknerkönig fahre und sie und ihr Rad mitnehmen könnte, damit sie teilnehmen kann…

Der Glocknerkönig. Ein Jedermannsrennen, welches immer am Wochenende nach Christi Himmelfahrt auf den höchsten offiziell befahrbaren Gipfel in den gesamten Alpen führt. Auf einer Straße, die im Laufe des Winters über zehn Meter tief unter den Schneemassen begraben wird und im Mai mittels großer Schneefräsen von den weißen Massen befreit wird. Die klassische Strecke führt über 27 km bei maximal 14% Steigung und 1.694 Höhenmeter von Bruck an der Glocknerstraße hinauf in die Nähe des höchsten Berges Österreichs. Das Rennen gibt es seit 1995, aufgeteilt in Light-, Classic- und E-Bike-Wertung und seit letztem Jahr um die Ultra-Wertung ergänzt. Mit zusätzlichen 7 Kehren, über 143 weitere Höhenmeter, auf eine Höhe von 2571 Meter über dem Meer zur Edelweißspitze… auf Kopfsteinpflaster! Und jetzt ratet mal, wo Csilla bei ihrem allerersten Rennen gleich mal hin will…

Obwohl Csilla anfangs skeptisch war, willigte sie schließlich ein, die Hilfe meiner Freundin und mir beim Radtransport anzunehmen.
Der ganze Spaß begann am Donnerstag, zu Christi Himmelfahrt, als ich Csilla zur Rennradreise brachte, die vor dem Rennen stattfand und die Teilnehmer im Laufe von drei Tagen bei geführten Radtouren über einige der umliegenden Berge fahren ließ. Das Wetter war die ersten beiden Tage etwas verhalten bis regnerisch und so wollte bei Csilla nicht so recht Begeisterung aufkommen, gepaart mit der Sorge, bei nasskaltem Wetter in größeren Höhen gar von Minusgraden empfangen zu werden.

Der Wettergott zeigte Einsicht und so erhielt ich Samstagabend von einer glücklichen Csilla herrliche Fotos vom Zeller See und den ihn umgebenden Bergen. Die letzte Ausfahrt vorm Rennen fand bei strahlendem Wetter statt und ließ auch für den kommenden Morgen nur das Beste erwarten. Wir vereinbarten auch schon, wann ich sie nach dem Rennen abholen würde.
Ich hatte inzwischen aber schon andere Pläne geschmiedet, damit sie ihren Erfolg nicht allein zu feiern brauchte: Das Transport-Auto bereits am Vortag standesgemäß per Rennradfahrt von der Freundin geholt, warf ich mich frühmorgens um drei hinters Lenkrad, um die 250 Kilometer zwischen Graz und Bruck an der Glocknerstraße rechtzeitig vor dem Start um 7 Uhr morgens zurückzulegen und bei ihrer Fahrt dabei zu sein.

Da die Glocknerstraße für das Rennen von 7:00 bis 10:30 Uhr gesperrt wurde, stellte die Rennleitung Shuttlebusse für Besucher zur Verfügung, damit alle Interessierten und Angehörigen von Fahrern oben auf dem Gipfel dabei sein können. Ein Ticket dafür zu besorgen, war das Erste, was ich nach dem Eintreffen erledigte. Csilla schickte mir ein Bild von ihrem Rad mit montierter Startnummer und ich war versucht, ihr schon meine Anwesenheit im Ort zu verraten. Ich schaffte es dann auch nicht mehr lange, merkte ich doch aus ihren Nachrichten, dass sie inzwischen reichlich aufgeregt und nervös war.

Die Shuttlebushaltestelle war auf dem Weg zu Startblock drei, aus dem Csilla startete, und so fing ich sie beim Vorbeifahren ab, um ihr zu zeigen, dass ich da war. Es traf mich ein wundervoller Blick aus Verwirrung, Erleichterung, Erstaunen und „WTF“ und wir wechselten einige Worte. Vom Eindruck der ganzen Veranstaltung, es starteten über 2000 Teilnehmer, hingerissen, verabschiedete ich sie mit den Worten „Nächstes Jahr fahren wir gemeinsam!“ Was das bedeutet, wurde mir auf der Fahrt nach oben klar: Die zwischen 1930 und 1935 errichtete Passstraße windet sich nach der Mautstelle Ferleiten, ab km 14,5 stetig in engen, oft in den Berg geschnittenen Kehren unter stetiger Steigung empor. Während die Busse kurz nach sieben oben angekommen waren, ging’s unten erst los…

Ich war oben nach der Busfahrt auch noch nicht so recht am Ziel. Die Busse fuhren nur bis zum Fuscher Törl auf 2428 Meter, da die Edelweißstraße zu eng für so große Fahrzeuge ist. Dort oben galt es aber, Csilla zu empfangen, also noch anderthalb Kilometer zu Fuß. Was habe ich meine Laufschuhe in diesem Moment vermisst! Die Sorge werde ich im nächsten Jahr, Radschuhe tragend, ja nicht haben.

Csilla war inzwischen mit dem Gros der Teilnehmer, sich an den Flanken des Fuscher Tals hocharbeitend, unterwegs. Danach begann für sie die richtige Arbeit, eine stetige Steigung zwischen 9% und 12% und kaum ein Moment, in dem die Straße nicht ansteigt. Lediglich manche Kehren bieten für einige Meter Erholung, wenn die Straße vor der Kurve mal etwas abschüssig verläuft, bevor sie sich mit einer 180-Grad-Wende wieder den Berg hochbeißt.

Inzwischen war der schnellste Fahrer nach nur einer Stunde und 23 Minuten nicht nur die ganze Straße hochgefahren, sondern hatte auch noch das Kopfsteinpflaster zur Edelweißspitze hinter sich gelassen und war unter den lauten und begeisterten Rufen und dem Applaus des Publikums durchs Ziel geflogen.

Csilla passierte wohl inzwischen die Baumgrenze und die Natur gab den Blick auf das Hochgebirge frei, in das sie sich gerade hocharbeitete: neben den oft meterhohen Schneewänden direkt am Straßenrand brachte die aufgehende Sonne (ja, das Wetter war wie angekündigt traumhaft) die vielen schneebedeckten Gipfel rund um das Käfertal zum Leuchten. Währenddessen konnte ich oben am Berg schon fast spüren, wie sich Csilla die vielen Kehren vorbei an der Blockhalde des Hexenkessels und aufs Obere Nassfeld emporarbeitete.

Die vielen Serpentinen des Oberen Nassfeldes füllten sich mit Teilnehmern und auch oben an der Edelweißspitze fanden sich immer mehr Zuschauer ein, die den Fußweg über die Pflasterstraße genommen hatten. Ich stand natürlich auch an der Brüstung und versuchte zu erraten, welcher der rot gekleideten Punkte auf Rädern wohl Csilla sein könnte.

Neben mir fanden sich einige der freiwilligen Helfer ein und riefen eine Freundin an, die, wie ich über das laut gestellte Telefon mithören konnte, mit einem E-Bike am Rennen teilnahm. Ihr Bericht, in Kehre 9 zu stehen, weil ihr „der Oarsch weh tut“, wurde von ihren Freunden mit der für Österreicher oft typischen Mischung aus Schadenfreude, Gelächter und liebevoll motivierenden Kommentaren aufgenommen. Soweit ich es verstehen konnte, hat sie die Fahrt dann wieder aufgenommen.
So stand ich da oben und wartete, mit einer Ankunftszeit gegen 10 Uhr rechnend, als Csillas Zopf plötzlich um die vorletzte Kurve geflogen kam und sie mit einem Affenzahn an mir vorbeizog und mir grade noch Gelegenheit für ein paar schnelle Fotos in der letzten Kurve gab, bevor ich ihr ins Ziel nachlaufen konnte. Dort stand sie dann, grandiose 13. der Ultra Damen, zwei Stunden und 16 Minuten nach dem Start, 258. von über 500 für die Edelweißspitze gemeldeten Teilnehmern…

Während ich ihr Rad hielt, hatte sie Gelegenheit, sich erst mal wieder zu sammeln, Glückwünsche mit einigen Fahrern auszutauschen und sich umzuschauen, wo sie da eigentlich angekommen war: der Blick auf 37 Dreitausender „begrüßte“ sie hier nach ihrer Topleistung und nachdem sie sich an der Labestation versorgt hatte, stiegen wir noch auf den Aussichtsturm, machten reichlich Erinnerungsfotos samt Rad und Grinsen über beide Ohren und Csilla machte sich für die Abfahrt bereit – schließlich will man sich auch belohnen.

Währenddessen sammelte sich gut 150 Meter unter uns am Fuscher Törl der Großteil der angekommenen Fahrer, was der Örtlichkeit schon fast einen volksfestähnlichen Charakter gab. Wir machten uns ebenso wie viele der Ultrafahrer auf den Weg nach unten, ich laufend, Csilla rollte einige Kehren weit neben mir her, bis sie dann grüßend vorausfuhr.
Bis der erste Shuttlebus im Tal ankam, war Csilla schon gut unten angekommen, hatte den Transponderchip abgegeben und ist zum Hotel zurückgeradelt. Ich war auch kurz darauf dort, wir verluden Rad und Gepäck und gönnten uns noch einen großen Kaffee auf der Hotelterrasse, von der wir den stetigen Fluss an vom Berg zurückkehrenden Fahrern beobachten konnten, während Csilla mir von ihrer Fahrt erzählte.
Mein Entschluss, nächstes Jahr mit ihr am Rennen teilzunehmen, fand darin nur noch mehr Bestätigung!

Von Jean François Riemer und Csilla Huss

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