„Ich fahre wie in Trance, spüre keine Schmerzen mehr“

390 Kilometer nonstop durch die Schweiz – Wolfgang Schwarz gehört zu den R2C2-Mitgliedern, die bei der Verlosung einen Startplatz für den Tortour-Sprint gewannen. In seinem Erlebnisbericht schildert er, wie er gemeinsam mit der Club-Kollegin Csilla Huss das einzigartige Ultracycling-Rennen meisterte (die Fotos zeigen teilweise andere Teilnehmer).

Begonnen hat alles am Donnerstag Vormittag mit der Startnummernausgabe in der IWC Arena. Die Vorfreude war riesig und die allgemein gute Stimmung steigerte sich bis zur Nudelparty, der Fahrerbesprechung sowie Vorstellung des Events am frühen Nachmittag. Anschließend galt es sich am Prolog am Rheinfall zu beweisen, um einen guten Startplatz zu erzielen. Sowohl meine als auch die Nervosität von Csilla – wir sind gemeinsam aus Graz angereist – wuchs gewaltig, bis man endlich an die Startlinie durfte. Dann heißt es, nur zwei Minuten Vollgas zu geben. Die Kulisse als auch das Publikum taten das Übrige, um alles aus sich herauszuholen.

Der Prolog ergab für Csilla eine Startzeit um 3:41 Uhr und für mich um 3:58 Uhr. Das bedeutet: um 2 Uhr in der Nacht aufstehen, ausgiebig Müsli verdrücken und schön langsam von der Unterkunft zur ICW Arena rollen. Kurz vor dem Start wurden die Räder auf die Korrektheit der Beleuchtung kontrolliert, dann ging es hinauf auf das Podest. Die Sekunden wurden heruntergezählt; und dann, endlich, der seit Wochen ersehnte Start, über die Startrampe hinunter, hinaus aus der Arena, hinein in die noch pechschwarze Nacht.

Zu Beginn ist man der Meinung, das ist ein Rennen gegen andere. Ich lege einen schweren Gang auf und hetze mit 35 bis 40 km/h über die ebene, teils wellige Straße nahe am Bodensee. Manchmal sieht man ein rotes Rücklicht in weiter Ferne und meint, man müsse dies einholen. Von hinten kommen noch Schnellere mit einem Triathlon-Lenkeraufsatz. Durch die Finsternis sieht man kaum den Pulsmesser. Nur am schneller werdenden Atmen erkenne ich, dass es so nicht weiter gehen darf, wenn ich durchkommen will. Also runter vom Gas auf ein erträgliches Niveau, wie man es sich im Training der Langdistanzen ausgemalt hat.

In der Dunkelheit verliere ich das Zeit- und Geschwindigkeitsgefühl. Also heißt es, auf die gewählte Übersetzung, meist 50/17, und die Atemfrequenz zu achten. Der Vorteil: Es gibt noch keinen Autoverkehr.
Endlich die erste Timestation in Kreuzlingen. Der Kugelschreiber wird mir von einer lieben Helferin in die zittrige Hand für die Unterschrift gereicht. Sie trägt auch für mich die Uhrzeit ein. Ich sehe, dass Csilla schon durch ist, und denke mir anhand der Zeit „Die fährt aber gscheit stark“. Die Trinkflasche wird mir aufgefüllt und weiter geht es in Richtung Oberriet.

Über dem Bodensee hängen schwarze Wolken und verdecken den erhofften Sonnenaufgang. Es beginnt zu nieseln, Gegenwind frischt auf und der Morgenverkehr erwacht. So habe ich mir das nicht erträumt. Aber es hilft nichts, also weitertreten. Irgendwo weiter vorne sieht der Himmel etwas heller aus. Das gibt Hoffnung.

Es gibt unglaublich viele Baustellenampeln, die scheinbar immer rot anzeigen, wenn ich komme. Es ist zum Ärgern. Auch die Marshalls und Officials auf ihren Motorrädern sind immer wieder zugegen. Man ist zwar im Rennstress, aber um nicht wegen eines Blödsinns eine Zeitstrafe oder Disqualifikation zu kassieren oder schlimmer, die eigene Sicherheit zu gefährden, bleibt man immer vorschriftsmäßig stehen. Die Wolken verziehen sich und Nebelschwaden steigen im Sonnenlicht auf, der Gegenwind bleibt, auch wenn es nun in Richtung Süden geht. Oberriet ist erreicht. Ich freue mich, Csilla zu sehen. Es bleibt Zeit für ein gemeinsames Foto und eine kleine Plauderei. Und weg ist sie.

Ich versuche, von allen etwas zu essen und ausgiebig zu trinken. Die heiße Boullion schmeckt selbst aus Plastikbechern ausgezeichnet. Und weiter geht es in Richtung Filzbach. Nun bei Sonnenschein und frischer Morgenluft zu radeln, beginnt mir zu gefallen. Bald fahre ich auf Csilla auf, wir motivieren uns gegenseitig und strampeln das eigene Tempo weiter. Die Landschaft gefällt mir; rundherum Berge. Die Schönheit des Walensee ist einzigartig. Es wird Zeit für Erinnerungsfotos. Nach 180 km ist es vorbei mit der Ebene. Der erste längere Anstieg zur Timestation in Filzbach kommt. Die Steigung ist angenehm zu treten und ich kann auch mehrere Mitstreiter überholen. Auch Csilla kommt nur wenige Minuten hinter mir an. Wir liegen gut in der Zeit und fühlen uns noch recht gut. Mein Hunger meldet sich bereits und ich esse wieder von allem, was es gibt.

R2C2-Clubmitglieder Wolfgang Schwarz und Csilla Huss.

Die nächste Timestation am Pragelpass ist nur 32 km entfernt. Ein Kindergeburtstag, denke ich. Dass es aber auf 1600 m hinauf geht und das noch dazu mit Steigungen jenseits der 10%, war mir nicht bewusst. Wenigstens auf Höhe des Klöntalersees nach ca. 6 km bergwärts kann man ein wenig entspannen. Fotos müssen gemacht werden. Und plötzlich kommt der nächste Anstieg, gefühlt eine einzige Rampe mit 8 km Länge. Mittlerweile brennt die Sonne heiß vom Himmel, der Schweiß tropft auf den Lenker.

Unterwegs bleibt Wolfgang Zeit für ein Selfie
vor wunderschöner Berg- und Seekulisse.

Es wird nun wirklich hart. Aber ich habe es ja so gewollt; Kehre für Kehre, bis ich oben bin; nach 220 km. Das Prozedere wiederholt sich: unterschreiben, Flaschen auffüllen und dem Magen Nachschub geben. Auch Csilla kommt wegen der Schönheit des Passes vor Freude strahlend, aber wie ich ein wenig erschöpft an. Ein Helfer warnt mich, dass man bei der Abfahrt nichts gewinnen, aber alles verlieren kann. Recht hat er gehabt. Die Abfahrt ist schmal, kurvig, extrem steil mit schlechter Straße. Ein Graus. Bremsen, dass mir Angst und Bange um die Carbonfelgen wird.

Die nächste Timestation ist ca. 90 km entfernt. Nicht so weit, stelle ich mir vor. Dann schießt mir aber in den Kopf: Mit den vielen Höhenmetern sind das noch weit mehr als drei Stunden zu fahren. Ich versuche den Gedanken schnell wieder zu verdrängen. Es geht bergab, es geht bergauf, es geht bergab zum Zürichsee. Nun beginnen die Schmerzen. Die Fußballen brennen, die Schultern schmerzen. Die Hitze bei der Überquerung des Zürichsee tut ihr Übriges. Es läuft nicht mehr rund. Der nächste Anstieg erscheint schleppend. Nach ca. 300 km kommt mein Tiefpunkt. Die Flaschen sind beinahe leer. Das klebrige Zeug schmeckt nicht wirklich. Ich bleibe stehen, lege mich am Straßenrand ins Gras, massiere die Füße und frage mich, wo diese verdammte Timestation ist. Nach ein paar Minuten schleppe ich mich weiter. Endlich sehe ich sie. Drei „Golden Girls“ helfen dort. Ich bettle nach Cola. Auch ein Marmorkuchen wird mir gereicht. Sehe ich wirklich schon so schlimm aus? Aber ich fange mich, mit der Motivation, es schon bald geschafft zu haben. Schon als ich abfahren will, sehe ich Csilla. Auch ihr ist es ähnlich ergangen.

Jetzt geht in nur mehr in Richtung Ziel. Ich fahre wie in Trance, spüre keine Schmerzen mehr. Der Körper funktioniert, das Rad rollt. Ab ca. 10 km vor Schaffhausen stehen bereits erste Betreuer anderer Fahrer bzw. Anrainer am Straßenrand und feuern mich an. Mich überrollen die Emotionen mit dem Wissen, es wirklich ins Ziel zu schaffen. Kaum zu glauben, lege ich nochmals Übersetzungen von 50/17 und 50/16 auf der Ebene auf und fliege ins Ziel. Finished !!!

Eigentlich nur froh, es geschafft zu haben, bin ich erstaunt, in der Gesamtwertung doch im Mittelfeld gelandet zu sein. Csilla wird sogar Dritte in der Damen-Wertung. Beide sind wir überglücklich, aber nun auch total k.o.

Fotos: privat, Veranstalter

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