WHOOP 4.0 heißt der Fitness-Tracker und Gesundheitsmonitor, mit dem nicht nur Radprofis von Alpecin-Deceuninck und EF Education-EasyPost unterwegs sind. Der Preis: ab 264 Euro im Jahr. Hier findet ihr den ganzen Testbericht nach rund 3 Monate Nutzung, von Radclub-Digitalevents-Leiter Daniel Lenz
Allgemeines
264 Euro im Jahr für einen Fitness-Tracker, der mir ein paar Daten ausspuckt, die ich ohnehin größtenteils schon habe? Im Ernst? Nichts für mich. Das war meine erste Reaktion, als ich erstmals von WHOOP erfuhr – und bei kaum einem Produkt habe ich mich im Rückblick so sehr getäuscht wie bei diesem.
Zunächst das Grundsätzliche: Im Rahmen der WHOOP-Mitgliedschaft erhält man:
- die Hardware (den eigentlichen Tracker, der am Handgelenk getragen wird, plus Armband und Akku/Ladegerät zum Wiederaufladen),
- Zugang zur App, mit der alles gesteuert wird (es gibt am Armband an sich keine Datenfelder),
- Zugang zur Community von Gleichgesinnten.
Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von zusätzlichen Produkten, die im Shop – für zusätzlich zahlende Kund:innen – verfügbar sind, darunter Armbänder (gerade ist ein schweißabweisendes „Sportflex“-Armband auf den Markt gekommen), eine Blaulichtbrille (blockiert bis zu 60 % des blauen Lichts, was, abends getragen, zu einem besseren Schlaf führt) sowie neuerdings auch Funktionsbekleidung wie Bibshorts oder Unterwäsche, bei denen der Tracker integriert ist. Für alle Produkte gilt, dass WHOOP Wert auf ein ansprechendes, schlichtes, hochwertiges Design legt.
Wenn WHOOP die Produkte updatet, also z. B. eine neue Generation von Trackern auf den Markt bringt, werden diese übrigens bisher ohne Aufpreis an die Kund:innen verschickt – was den vermeintlich hohen Abopreis relativiert.
Verarbeitung & Qualität
Wie sollte bei einem so kleinen Tracker (ca. 4×2 cm) plus Armband überhaupt eine gute Verarbeitung und Qualität auffallen, dachte ich zunächst. Auch hier weit gefehlt. Die Verpackungen sowohl für den Tracker an sich als auch die Armbänder kommen sowohl hochwertig als auch nachhaltig daher (fester schwarzer Karton) und erinnern, in abgewandelter Form, an die schlichten, aber hochwertigen Verpackungen von Apple-Produkten.
Der Tracker und die Armbänder an sich wirken ebenfalls hochwertig, auch nach mehreren hundert Öffnungs- und Schließvorgängen des Armbands wackelt da nichts. Und wenn man ein paar Tipps bei der Pflege der Armbänder beachtet, sehen diese auch noch nach Monaten ansprechend aus (weitere Details unten).
Doch „Verarbeitung & Qualität“ betrifft eben nicht nur die Hardware, sondern auch die Software. Und das ist vielleicht das größte Plus des ganzen Angebots. Der WHOOP-App gelingt die größte Herausforderung des Angebots: Reduktion von Komplexität – ohne Triviales zu liefern. WHOOP misst zig Datenpunkte, vom Puls bis zur REM-Phase im Schlaf, und die App schafft es, die Vielzahl der Daten und – noch wichtiger – die Schlussfolgerungen übersichtlich darzustellen.
Der Praxis-Test
Der Einstieg bei WHOOP ist denkbar einfach: Man legt das Armband an, und das System fängt an, Messungen vorzunehmen. Danach kann man WHOOP zunächst eine Woche oder länger ignorieren. Wichtig ist nur, dass man das Armband nicht ablegt (vielleicht mal zum Duschen, sonst aber idealerweise nicht). Erst allmählich fängt das System an, aus den vielen erhobenen Daten Trends abzulesen und diese ansprechend zu vermitteln. Und dann wird es richtig spannend!
Meine Erkenntnisse der ersten Wochen: WHOOP ist kein Fitnesstracker, das wäre so, als ob man eine Apple Watch nur nutzen würde, um – wie in den 1980ern – sich nur die Uhrzeit digital anzeigen zu lassen. Oder einen modernen Radcomputer lediglich zur Messung der Geschwindigkeit verwenden würde. WHOOP überwacht den Schlaf, die Erholung und die Belastung rund um die Uhr – und liefert dir dann konkretes Feedback, damit du deine Leistung optimieren oder aber insgesamt einfach gesünder leben kannst. Und das funktioniert in der Praxis so:
- Nachts misst WHOOP die Qualität deines Schlafs (wie lange wach gewesen, wie lange leichter Schlaf, aber eben auch tiefer Schlaf und die Zeit in der sogenannten REM-Phase, die besonders erholsam ist fürs Gehirn).
- Nach dem Aufwachen füllst du einen Fragebogen aus zum vorherigen Tag. Diesen kannst du nach eigenem Gusto anlegen, schätzungsweise 100 Fragen stehen zur Auswahl, du suchst dir die aus, die am besten zu dir passen (Beispiel: Wenn du nicht regelmäßig Akupunkturen machen lässt, brauchst du dir diese Frage erst gar nicht anzeigen lassen. Vielleicht (ganz sicher!) ist aber stattdessen relevant, ob du Alkohol getrunken hast…). Sehr vorteilhaft: Es gibt eine Funktion, bei der die Daten des Vortags übernommen werden.
- Nach dem Tagebuch kannst du dir anschauen, wie dein Schlaf war; aus den oben genannten Werten wird u.a. die Schlafleistung (wie viel Prozent des Schlafbedarfs wurden gedeckt?) und die Schlafeffizienz berechnet. Wichtig ist dabei besonders, ob die entsprechenden Schlafphasen (Tiefschlaf und REM-Phase) genügend lang ausgefallen sind. Bei mir deckt sich dieses Messergebnis erstaunlich gut mit meinem Wohlbefinden am Morgen, hier wird also ein Gefühl ganz klar objektiviert. Ein besonders wichtiger Wert ist die Herzfrequenzvariabilität (HFV). Diese war für mich total neu. Was ist das? Da die Frequenz des menschlichen Herzens nicht konstant ist, stellt die Herzfrequenzvariabilität (HFV) ein Maß für diese Unregelmäßigkeit dar, bzw. sie misst die zeitliche Abweichung zwischen den einzelnen Schlägen deines Herzens. WHOOP berechnet deine HFV anhand eines Durchschnittswerts für jede Nacht. Sie ist eine der besten Messgrößen für die Fitness einer Person und kann als Indikator für die physiologische Leistungsbereitschaft verwendet werden. Sie ist je nach Alter, Geschlecht und Gesundheit von Person zu Person unterschiedlich – wichtig ist hauptsächlich, den Wert immer im Vergleich zu den früheren Werten zu sehen (was WHOOP eben erledigt). Heißt konkret: An der HFV erkennt man z. B., wie erholt der Körper ist, ob man eine stressige Phase hatte – oder ob sich z. B. eine Krankheit anbahnt, von der man bisher nichts gemerkt hat.
- Auf Basis des vorangegangenen Schlafs (mit der HFV als sehr wichtigen Wert) und der Belastung/Erholung in der bisherigen Woche empfiehlt WHOOP dir dann eine optimale Belastung für den Tag. Das ist eine entscheidende Funktion: dass WHOOP Erholung und Belastung immer zusammen analysiert. Nur bei einem halbwegs erholsamen Schlaf und okayen HFV macht es Sinn, eine höhere Belastung am Tag ins Auge zu fassen.
- Tagsüber misst WHOOP dann weiter, legt den Fokus aber auf andere Messwerte, darunter die Ruheherzfrequenz und die Atemfrequenz.
- Wenn man z. B. Sport macht, erkennt WHOOP dies automatisch (Puls steigt usw.), im Anschluss an die Trainingseinheit will WHOOP dann konkrete Angaben dazu haben: War es z. B. ein Spinning-Training oder normales Radfahren?
- Abends fasst WHOOP den Tag zusammen, z. B. wie lange die Belastungsphasen waren und ob diese im empfohlenen Bereich waren oder nicht. Auch wie stressig der Tag war (für Daten-Nerds: Dazu wird der persönliche HFV-Ausgangswert der letzten 14 Tage mit der normalen Ruheherzfrequenz verglichen und ein Stress-Wert ermittelt). Auch das deckt sich sehr genau mit dem eigenen Körpergefühl – wobei einem manchmal gar nicht bewusst war, wie stressig einzelne Tagesabschnitte tatsächlich waren.
Nach etwa einer Woche fängt WHOOP an, auf Basis der erhobenen Daten Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn man dauerhaft schlecht schläft, führt WHOOP dies (mit Hilfe des Logbuchs) auf verschiedene Faktoren zurück und gibt dabei sogar Werte an, zu wie viel Prozent Faktor XY zu einem guten oder schlechten Schlaf beiträgt – mein erstes Erweckungserlebnis: Alkoholkonsum. Selbst vermeintlich niedrige Dosen (2-3 mal die Woche ein Glas Rotwein) verschlechtern den Schlaf signifikant (WHOOP gibt bei mir 9 bis 10 % an). Vieles davon weiß man grundsätzlich, und doch macht es einen Unterschied, ob man diese Erkenntnisse objektiviert vor sich sieht – und wie stark einzelne Faktoren wie Alkohol, spätes Essen, zu viel Bildschirmzeit im Bett tatsächlich die Erholung tangieren.
Die Vielzahl der Analysepunkte und die Korrelationen sind hochkomplex, wie eingangs geschrieben, gelingt es WHOOP aber, dies verständlich aufzubereiten. Dabei hilft auch der „WHOOP Coach“. Das ist eine ChatGPT-Anwendung, speziell für die WHOOP-App. Sie hilft bei Nachfragen des Users oder der Userin.
Mitte: Der Schlaftracker verbindet Schlafbedarf un Schlafleistung.
Rechts: Augen öffnend: WHOOP analysiert, wie sich z.B. Alkohol oder zu spätes Essen – aber auch spätes Training als positive Faktor – auf den Schlaf auswirken.
Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen von WHOOP werden im Laufe der Zeit immer besser, erst nach rund einem Monat hatte ich das Gefühl, dass der Durchblick vollständig ist. Exkurs: WHOOP bietet einen kostenlosen Testmonat an, bei dem man ein gebrauchtes Gerät nutzt – dieser ist angesichts des gerade Geschriebenen vergleichsweise kurz und gibt also nur einen Ausblick auf das, was sich ab Monat zwei oder drei mit WHOOP entfaltet. Nämlich ein faszinierender Blick in die Blackbox des Körpers.
Ich selbst nutze WHOOP zwar auch zur Trainingssteuerung, aber persönlich ist mir der „Gesundheitsmonitor“ wichtiger. Auf Basis von Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Ruheherzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Hauttemperatur trackt WHOOP sehr anschaulich den allgemeinen Gesundheitszustand. Und ich bin sehr sicher, dass eine Abweichung im Sinne einer Erkrankung von WHOOP deutlich früher erkannt wird als von meinem Körpergefühl…
Noch abschließend ein Hygiene-Tipp: Da das WHOOP-Armband rund um die Uhr getragen werden sollte, ist es natürlich auch – bei sportlichen Menschen – entsprechend dem Schweiß ausgeliefert. Wenn man das Band längere Zeit auf der Haut trocknen lässt und es nicht wäscht, fängt es an zu müffeln. Ich würde daher von Begin an ein zweites Band kaufen, um das feuchte Band nach der Belastung ab und zu zu waschen und zu trocknen. So sehen die Bänder auch nach monatelanger Nutzung weiterhin fast wie neu aus. Womöglich ist auch das neue Sportflex-Band aus Silikon vor diesem Hintergrund eine gute Wahl, weil es schweißabweisend ist.
WHOOP 4.0 im Test – das Fazit
Pro:
- Tolle Verarbeitung und Funktionen, um Sport, Erholung und Gesundheit zu tracken
- Der Anbieter legt viel Wert auf eine Veranschaulichung von sehr komplexen Zusammenhängen
- Das System lernt kontinuierlich, so auch Nutzer und Nutzerin
Contra:
- Herkömmliche Bänder sind etwas pflegeintensiv, daher direkt Silikonvariante testen
Selten war ich von einem Produkt rund um die Gesundheit so überzeugt – absolute Kaufempfehlung.
Der Tester: Daniel Lenz
Seit über 20 Jahren passionierter Radsportler, die letzten vier Jahre davon weitestgehend offroad auf dem Gravelbike unterwegs, meistens im Bergischen Land. Meine Lieblingsstrecken liegen in den Dolomiten und Belgien.
Von Ende 2018 bis September 2023 leitete ich den Radclub, die Community aus über 15.000 Fahrradfans der BVA Bike Media. Seitdem führe ich weiterhin digitale Events im Radclub durch.