Istria300: der Radmarathon durch die „Hell of Croatia“

Anfang Oktober hat „Istria300“ die kroatische Küstenstadt Poreč wieder in einen Magneten des Jedermann-Radsports verwandelt. Aus dem Radclub war Hartmut Ulrich beim Radmarathon auf der kroatischen Halbinsel dabei. Ein einzigartiges Erlebnis. Sein Bericht:

Dieses Jahr also die schwarze Route. 300 Radkilometer an einem Tag und 5.500 Höhenmeter, darunter ein Anstieg, der auf Strava den vielsagenden Namen „Hell of Croatia“ trägt. Noch nie zuvor im Leben bin ich an einem Tag 300 Kilometer mit dem Rad gefahren, schon gar nicht in einem Rennen. Noch nie so viele Höhenmeter. Warum tust du dir so etwas an (in deinem Alter)? Gegenfrage: Wann hast du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht (du bist doch noch so jung)?

„Du bist zu 100 Prozent selbst verantwortlich für den Grad deines Leidens“

ISTRIA300, auch im zweiten Jahr nach Premiere ein exzellent organisiertes Radrennen, bei dem ein Heer von Freiwilligen für sauberst abgesperrte Straßen sorgte und den Ritt durch das landschaftlich atemberaubende Auf und Ab der istrischen Halbinsel zu einem unvergesslichen Erlebnis machte. Unvergesslich auch deswegen, weil du zu 100 Prozent selbst verantwortlich bist für den Grad deines Leidens: Auf der Strecke entscheidest du selbst zwischen 155, 235 und 300 Kilometern, indem du an drei Knotenpunkten der roten, blauen oder schwarzen Beschilderung folgst.

Foto: sportshot_de

Letztes Jahr bin ich der blauen Beschilderung gefolgt. Die Bora (der lokale kroatische Fallwind, vergleichbar mit dem französischen Mistral) blies so stark von den Bergen, dass mir bereits bei den ersten Durchgangszeiten klar wurde, dass es keinen Sinn hatte, die 300 in Erwägung zu ziehen. Ich bin dann über 235 Kilometer und 3.500 Höhenmeter gefahren und war trotz des Winds am frühen Nachmittag relativ entspannt als 51. der Gesamtwertung im Ziel, nicht schlecht für den alten weißen Mann.

„Gruppen musst du vom Start weg haben. Sonst wird es hart“

Auch dieses Jahr hatte ich Minimum-Durchgangszeiten aufs Oberrohr meines Rennrads geklebt, um je nach Gefühl entscheiden zu können. Am zweiten Verpflegungspunkt und kurz vor der Entscheidung zwischen blau und schwarz war ich eine gute Stunde schneller als das notierte Minimum und entschloss mich für 300 Kilometer. Und war plötzlich allein. Obwohl das Feld der 1.234 Starter (leider wieder nur 11% Frauen) bis zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich zerpflückt war, hatte es die ersten 130 Kilometer stets genug Gruppen gegeben, denen ich mich anschließen konnte, um nicht alleine im Wind arbeiten zu müssen. 680 hatten sich aber für die „kurze“ Variante und 155 Kilometer entschieden, die waren längst abgebogen und weg. 302 Teilnehmer fuhren Blau auf der Mitteldistanz über 235, der bescheidene Rest wagte sich an die volle Distanz über 300 Kilometer und die „Hell of Croatia“ – und das ist einfach zu wenig, um passende Gruppen zu finden. Die musst du von Start weg haben, zusammenarbeiten, die Stops abgesprochen haben. Sonst wird es hart.

Foto: sportshot_de

Zu allem Überfluss hatte mein WAHOO Elemnt Bolt (das ich ansonsten sehr schätze) nach rund 160 Kilometern so seine Schwierigkeiten mit den GPX-Daten. Erst hat es mitten in der Route ne Zielflagge gesetzt und danach einfach das Routing eingestellt, ts. Ich habe dann versucht, während der Fahrt die Route neu zu laden – Fehlermeldung! („zu viele Daten“). Dadurch fehlten nicht nur 20 km und ein paar Höhenmeter in der Aufzeichnung – ich hatte auch kein Routing mehr und bin prompt zweimal falsch abgebogen, was auch ein paar Minuten gekostet hat.

„Wo zur Hölle habe ich nur die entscheidenden Minuten liegen gelassen?“

Das Zeitlimit von 12 Stunden habe ich dann verpasst. Um lächerliche 13 Minuten. Bei 12 Minuten Standzeit für drei Verpflegungsstopps. Und trotz einer durchschnittlichen Leistung von 172 Watt, was ganz respektabel ist über zwölf Stunden – aber halt nicht reichte. Der Gewinner (ein Ex-Radprofi aus Österreich), hat 08:47:46 gebraucht, ich 12:13:37. Zwölf hätte ich dürfen, also ein Stundenmittel von 25 km/h – normalerweise ein Klacks, das fahre ich auf Gravel jeden Tag ins Büro – aber nicht bei 5.300 Höhenmetern. „OTL“ heißt das im Rennjargon, „over the limit“ und ist nicht ganz so ein Schlag ins Genick wie „DNF“, did not finish, wo du auch mittendrin dein Rad in den Graben ballern und ins Auto einsteigen kannst. Aber es wurmt halt. Verdammt, OTL wurmt! Wo zur Hölle habe ich nur die entscheidenden Minuten liegen gelassen? (is eigentlich klar aber..grr).

Natürlich existieren Niederlagen immer nur im Kopf: Wer mit 57 Jahren 300 Kilometer und 5.300 Höhenmeter am Stück in nur knapp über zwölf Stunden fahren kann, ist möglicherweise ein bisschen bekloppt. Aber keinesfalls alt im Sinne von „sitzt nur noch sabbernd am Kamin“. Mit den jungen Heißdüsen vorne mitfahren konnte ich eh nie. Es fehlte immer das, was man Talent nennt, um nicht sagen zu müssen: Kann zwar sein, dass du gerne Rad fährst, aber gewinnen wirst du nie was, deine Gene sind einfach Scheiße. Wer das zu eng sieht, macht sich ganz sicher unglücklich.

Es gibt Silbermedaillengewinnerinnen, die weinen vor Enttäuschung, weil sie nur Zweite sind. Und es gibt Finisher, die weinen vor Glück, weil sie es auf allen Vieren über die Ziellinie und in die Wertung geschafft haben. Ich bin stolz, dass ich das erste 300-Kilometer-Radrennen meines Lebens so beendet habe. Zum Vergleich: Der Ironman in Hawaii, der am gleichen Wochenende stattfand, hat „nur“ 223 Kilometer und rund 1.500 Höhenmeter.

Auf Strava hat sich ein Mitfahrer in den Kommentaren bedankt: „Vielen Dank für die Führungsarbeit. Wäre sonst vom Besenwagen eingesammelt worden.“ Was willste eigentlich mehr?

Hollereiduliöh

Die Radclub-Mitgliedschaften in der Übersicht

Basis

  • Wähle Dein Begrüßungsgeschenk aus (z.B. Gutschein)
  • Profitiere von über 30 Preisvorteilen und exklusiven Angeboten
  • Nimm an monatlichen Webinaren (z.B. Kaufberatungen) teil
  • Mache bei attraktiven Verlosungen mit
25€/ Jahr

Mag

  • Jeden Monat die ElektroRad, Radfahren oder RennRad als Print- und/oder Digitalausgabe*
Und alle Vorteile aus dem PaketBasis
30€* – 70€/ Jahr

R2C2

  • R2C2-Trikot von Bioracer oder andere Prämie
  • Ab dem 2. Jahr neue Artikel aus der R2C2-Kollektion
Und alle Vorteile aus dem PaketMag
Und alle Vorteile aus dem PaketBasis
ab 99€/ Jahr