Wie sieht der größte deutsche Fahrradhersteller hinter den Kulissen aus? Wie werden so unterschiedliche Räder wie von Kalkhoff oder Cervélo gefertigt? Bei einer Betriebsbesichtigung in Cloppenburg haben Radclub- und R2C2-Mitglieder Derby Cycle kennengelernt.

Wer auf das Betriebsgelände von Derby Cycle kommt, betritt einen historischen Ort. Vor 100 Jahren wurde Kalkhoff vom damaligen Landpostboten Heinrich Kalkhoff gegründet. Kalkhoff verkaufte zunächst in seinem Cloppenburger Elternhaus Fahrradteile, bevor er ab 1927 eigene Fahrräder herstellte – und sein Unternehmen fortan wuchs und wuchs und wuchs. Sein Unternehmen wurde 1988 von Derby Cycle gekauft. Derby Cycle wiederum wurde 2012 von der niederländischen Gruppe Pon Holdings übernommen. Zu Pon.Bike, dem Fahrradbereich von Pon, gehören unter anderem auch Gazelle, Cervélo und Santa Cruz.

Das Gelände in Cloppenburg dokumentiert noch heute das Wachstum. Statt riesengroßer Hallen umfasst das Betriebsgelände viele einzelne Gebäude, um die der Standort im Laufe der Jahre erweitert wurde. Das sorgt zwar vielleicht für längere Laufwege – birgt aber auch viel industriellen Charme des 20. Jahrhundert.
Zahlen und Fakten zu Derby Cycle
Sortiment: Das breite Produktsortiment umfasst neben E-Bikes auch hochwertige Mountainbikes, Rennmaschinen, Trekking-, City-, Cross- und Kinderräder – sowie Services wie Leasing, Versicherung und Bike-Sharing für Unternehmen mit Kooperationspartner movelo.
Internationalität: Kalkhoff, eine internationale E-Bike-Marke von Derby Cycle, ist in 32 Ländern vertreten, das Vertriebsnetz umfasst 2500 aktive Händler weltweit.
E-Bike-Pionier: Derby Cycle hat 2007 angefangen E-Bikes herzustellen. Seitdem wurden über 1,25 Mio E-Bikes verkauft. Zum Vergleich: Die Zahl der E-Bikes im Einsatz wird hierzulande auf 4,5 Mio Räder taxiert. Der E-Bike-Absatz für 2019 wird nach Einschätzung des Zweirad-Industrie-Verbands bei 1,1 Mio Stück liegen. Kalkhoff gilt als Erfinder der Rücktrittbremse bei Mittelmotor-E-Bikes.


Ein Blick in die Produktion
Cloppenburg ist heute weiterhin der wichtigste Produktionsstandort des Unternehmens. Am norddeutschen Standort werden täglich rund 2500 und jährlich mehrere hunderttausend Räder produziert, davon sind über 100.000 E-Bikes. Das Unternehmen beschäftigt rund 900 Mitarbeiter, darunter 600 in der Produktion.


Laufräder-Herstellung





Rund 5000 Laufräder werden pro Tag in Cloppenburg hergestellt – um 2500 Räder zu bestücken.
Das Zwiebelprinzip der Produktion
Der Aufbau der Derby-Cycle-Produktion ist zwiebelartig: Außen werden Teile wie Laufräder oder Lenker vorgefertigt, im Zentrum erfolgt auf Produktionsbändern die Endfertigung. Die Fertigung erfolgt ausschließlich auftragsbezogen, es gibt keine Produktion auf Vorrat.

Der Monitor zeigt Detailinfos zum gerade montierten Rad. Früher mussten sich die Mitarbeiter mit dem Band bewegen und ihre Montagearbeiten erledigen, heute zieht das Rad langsam an ihnen vorbei.

Mangement-Audit
Zwei Mal am Tag wird nach einem Zufallsprinzip ein Rad aus der Produktion herausgenommen und an einem Prüfstand ausgestellt – „Management Audit“ heißt das Prinzip. Dort überprüfen Vertreter verschiedener Abteilungen, darunter Vorstand und technische Leitung, das Rad intensiv: Ist die Montage sauber erfolgt? Gibt es Fingerabdrücke am Rahmen? Liegen alle Bedienungsanleitungen bei?

Das Testcenter
1970 wurde das Testcenter errichtet, heute werden pro Jahr rund 1000 Teile, die Kalkhoff & Co. von Firmen wie Shimano zukaufen, untersucht; drei Ingenieure betreuen die Tests.
Auf dem Rollenprüfstand werden Räder beispielsweise 48 Stunden lang einem Ruckeltest unterzogen – hat sich etwas an der Gabel oder am Rahmen verändert?

Lackiererei
In drei Kabinen werden die Rahmen der Räder lackiert, in einem dreistufigen Verfahren: Grundierung (Pulver), dann Nasslack, dann Klarlack (wieder Pulver). Die Rahmen absolvieren dabei eine 5,4 km lange Strecke am Band.
Testräder im Event-Truck
Kalkhoff, FOCUS und Cervélo unterhalten mehrere Promotion-Trucks mit Test-Rädern, die bei bei Events national und international europaweit dabei sind. Die Radclub- und R2C2-Besucher konnten die aktuellen Räder von Derby Cycle ausführlich testen.